Zum Umgang mit dem problematischen kirchenmusikalischen Erbe
Vortrag mit gemeinsam gesungenen Verfremdungen eines vierstimmigen Bachchorals
ca. 80 Minuten mit anschließendem Gespräch
„Die Juden aber schrien und sprachen: Kreuzige, kreuzige ihn!“ oder „Sein Blut komme über uns und unsere Kinder“ – diese Chorszenen aus Passionsvertonungen von Johann Sebastian Bach gehen unter die Haut. Und sie verstärken antijüdische Narrative der christlichen Tradition.
Kirchenmusik ist Verkündigung. Können wir alte Musik aufführen, deren Inhalt konträr zu den theologischen Erkenntnissen, Beschlüssen und Handlungsoptionen der Ev. Kirche im Rheinland, der Ev. Kirche in Hessen und Nassau, der Ev. Kirche von Westfalen und vieler weiterer Landeskirchen stehen? Wie gelingt eine Aktualisierung der Stücke? Welche Verantwortung haben wir heutigen Ausführenden und Zuhörenden gegenüber?
In 2014 habe ich als Landeskirchenmusikdirektorin im Zentrum Verkündigung der EKHN in Kooperation mit der Ev. Akademie Frankfurt eine Tagung zu diesem Thema veranstaltet. Die Resonanz war gut, allerdings gab es kaum Teilnehmende aus der Kirchenmusik und aus Chören, die die Passionen aufführen.
Ich denke, dass jede*r kirchenmusikalisch Aktive sich mit den Inhalten befassen sollte, die wir vermitteln. Meiner Erfahrung nach kommen die theologischen Diskurse der Synoden und Universitäten aber kaum an der Basis, in den Gemeinden, Dekanaten und Kirchenkreisen an. Sicher gibt es auch zu wenig Informationen und Unterstützung für eine praktische Umsetzung, für manche sind das auch zu „heiße Eisen“, denn sie wollen doch nur schöne Musik machen.
Aus den Ergebnissen der Frankfurter Tagung habe ich deshalb einen Vortrag konzipiert, der durch gemeinsame gesungene Verfremdungen eines vierstimmigen Chorals aus der „Johannespassion“ gegliedert wird. Das Thema hat seine Relevanz nicht verloren, nachdem die antisemitischen Übergriffe in Deutschland nach dem 7. Oktober 2023 stark angestiegen sind.